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Was ist Peoples'
Global Action (PGA)?
Eine historische Betrachtung von
PGA in Europa
Vielleicht habt ihr den
Namen Peoples` Global Action schon gehört, aber wißt nicht genau,
welche politische Dynamik und welche Gruppen er umfasst. Deshalb gibt es hier
eine kurze Rückblende im Hinblick auf die Vorbereitung der europäischen
PGA-Konferenz in Belgrad im Sommer 2004. Damit soll auch ein Beitrag für
die Entwicklung weiterer Kommunikationsstrukturen und für eine Erweiterung
des Austausches zwischen anti-autoritären und anti-kapitalistischen Bewegungen
geleistet werden.
Dieser Text konzentriert sich auf eine Einführung in den europäischen
Teil von PGA, befasst sich aber darüber hinaus auch mit der allgemeinen
Geschichte und dem weltweiten Verlauf von PGA. In keiner Weise soll mit diesem
Text irgendeine Art von Orthodoxie etabliert werden, weder im Hinblick auf die
Geschichte noch im Hinblick auf die politischen Ziele von PGA. Niemand ist dazu
berechtigt, sich als PGA-SprecherIn auszugeben.
Niemand kann PGA repräsentieren. Die folgende Darstellung sollte daher
als ein unvollständiger Standpunkt von vielen betrachtet werden. Es handelt
sich um die Meinung einiger engagierter Individuen aus dem umfassenden, komplexen
und faszinierenden PGA-Prozess.
Von den "Frühen Tagen"
bis zu den Gegengipfeln
In Folge des zapatistischen
Aufstands im Januar 1994 in Mexiko fanden eine ganze Reihe von Treffen statt,
darunter auch die berühmten "Intergalaktischen Treffen gegen den Neo-Liberalismus
und für die Menschlichkeit." Das erste dieser Treffen fand in Chiapas/Mexiko,
die folgenden im spanischen Staat statt. Die politische Gesamtsituation war
niederschmetternd. Die Mauer war gerade gefallen und der Freihandels-Kapitalismus
hat - wie kurzfristig auch immer – den Sieg davon getragen. Die indigenen
Völker der zapatistischen Bewegungen hatten in dieser Situation einen Funken
der Hoffnung geschaffen. Dieser lief um die Welt. Eine Auswirkung dieser Treffen
war der Gedanke, ein weltweites Netzwerk für die Koordination und den Austausch
von Informationen unter AktivistInnen zu schaffen. Die Idee entstand zuerst
in der theoretischen Diskussion und wurde anschließend in die Praxis umgesetzt.
Eines der ersten Ziele war der Kampf gegen die Welthandelsorganisation. Die
erste weltweite "Peoples` Global Action gegen die WTO und den Freihandel"
- Konferenz fand im Februar 1998 in Genf statt. Einige hundert VertreterInnen
von Basis-Bewegungen aus der ganzen Welt versammelten sich. Es gelang ihnen,
sich auf ein politisches Manifest zu einigen (1). Unter den
TeilnehmerInnen waren kanadische PostarbeiterInnen, ÖkologInnen von Earth
First!, französische Bauern und Bäuerinnen, Anti-Atom-AktivistInnen,
VertreterInnen der Gesellschaften der Maori, der U`wa und der Ogoni, koreanische
GewerkschafterInnen, indigene nordamerikanische Frauenorganisationen, radikale
ukrainische Öko-AktivistInnen und Bauernbewegungen aus allen Kontinenten.
Ihr Manifest umfaßte
Themen, wie z.B. die direkte Aktion als Mittel des politischen Kampfes, die
Einrichtung von Organisationsprinzipien basierend auf Dezentralisation und Autonomie
und den Aufbau von direkten demokratischen Alternativen. Die gesamte Struktur
sollte von zwölf verschiedenen Gruppen, den sogenannten "Convenors"
(Einberufende) aus den verschiedenen Regionen der Erde verbreitet werden.
Die Convenors (Einberufende)
Bei den Convenors
handelt es sich um Gruppen, die als Kontakt-, Informations- und Koordinierungspunkte
dienen. Sie ko-organisieren globale und regionale Konferenzen und verbreiten
die Aufrufe für globale dezentrale Aktionstage, insbesondere zu den WTO-Gipfeltreffen.
Im ersten Convenors-Komitee waren drei Convenors aus Lateinamerika, einer aus
Westeuropa, einer aus Osteuropa und zwei aus Asien. Zur Zeit gibt es manchmal
auch mehrere Convenors in einer Region, insbesondere in Lateinamerika.
Die Convenors teilen sich
die Arbeit mit anderen Gruppen. Die ersten europäischen Convenors waren
"Reclaim the Streets", eine Gruppe, die in der radikalen Ökologie
und in Straßenprotesten ihre Wurzeln hat. Sie hat zu einer Erneuerung
der anti-kapitalistischen direkten Aktionstechniken beigetragen, vor allem durch
den Einsatz von Straßenparties als Blockaden und durch den Aufbau von
Verbindungen zu ArbeiterInnenorganisationen, wie z.B. den Liverpooler HafenarbeiterInnen
oder den Londoner U-Bahn-ArbeiterInnen. In Asien wurde die Arbeit der Convenors
von Organisationen, wie der KRRS übernommen, einer indischen Bauerngewerkschaft
mit mehreren Millionen Mitgliedern. Sie sind dafür bekannt, die genmanipulierten
Getreidefelder von Monsanto in Brand zu stecken und für die `National Alliance
of People`s Movement´, einem nationalen Bündnis von Graswurzel-Bewegungen
aus dem ganzen Land (einschließlich Narmada Bachao Andolan, dem nationalen
Fischer-Forum, der Gewerkschaft der landlosen ArbeiterInnen von Andhra Pradesh,
etc). Die aktuellen asiatischen Convenors sind die `Krishok Federation´
(Landlosen- und Marginalisierten-Bauernbewegung) aus Bangladesh. In Lateinamerika
hat PGA verschiedene Kulturen und Bewegungen zusammengebracht, von den CONFEUNASCC,
einer kleinen Bauerngewerkschaft in Ecuador, der `Movimiento de la Juventad
Kuna´, der bolivianischen Kokabauern-Bewegung in Chapare, bis hin zum
kolumbianischen `Prozess der Schwarzen Gemeinschaften´. Und so wurde der
Widerstand so global wie das Kapital
Im Mai 1998 wurden während
der vier Tage des weltweiten Widerstands gegen den G8-Gipfel in Großbritannien
und den WTO-Gipfel in Genf die ersten Erfolge von PGA sichtbar. Der WTO-Gipfel
in Genf war die zweite Ministerkonferenz seit der Gründung der WTO und
eine Feier zum 50-jährigen Bestehen des GATT-Abkommens und der kapitalistischen
Nach-kriegsordnung nach dem zweiten Weltkrieg. Zu diesem Anlass fand der erste
Gegengipfel statt, von vielen, die noch folgten. Dabei gab es die heftigsten
Proteste, die Genf jemals erlebt hatte, und in Birmingham wurden die TeilnehmerInnen
des G8-Gipfeltreffens gezwungen, durch heimliche Flucht aus der neu besetzten
Stadt zu entkommen. Währenddessen demonstrierten 200.000 indische Bauern
und Bäuerinnen für die Auflösung der WTO.
In jenen Tagen ging die
Dynamik von lokalen Gruppen aus. Von PGA initiierte globale Aktionstage waren
dezentrale Ereignisse. Einer der beeindruckendsten `Global Action Days´
war der `J18´, der 18. Juni 1999. An diesem Tag fanden alle weltweiten
Protestaktionen zeitgleich mit dem G8-Gipfel in Köln statt. An 72 verschiedenen
Orten wurden Aktionen organisiert, einschließlich der Ankunft der `International
Caravan for Solidarity and Resistance´ in Köln (gebildet von Graswurzelbewegungen
aus Indien und anderen Ländern des Südens) und einer festlichen Besetzung
der Stadt London, die damit endete, dass das Finanzzentrum der Stadt von ein
paar tausend DemonstrantInnen eingenommen und neu gestaltet wurde. In dieser
Zeit erfuhr die Bezeichung "anti-kapitalistisch" eine massive Rückkehr,
sowohl unter AktivistInnen, als auch in den Medien. Der Slogan "Das Kapital
ist global, der Widerstand ist global" wurde in die Praxis umgesetzt.
In Seattle, im US-Bundesstaat
Washington, zeigte 1999 der Abbruch der WTO-Ministerkonferenz die Effektivität
der Kombination verschiedener direkter Aktionen. Teilweise wurden sie mit großer
Koordination durchgeführt, wie z.B. die Blockaden sämtlicher Straßen,
die zum Gipfeltreffen führten. Diese wurden alle von kleinen Bezugsgruppen
organisiert. Dazu gab es Solidaritätsaktionen in mehr als 70 Ländern.
Die sogenannte "Schlacht von Seattle", bei der radikale AktivstInnen
an vorderster Front standen, wurde nichtsdestotrotz sehr schnell von traditionellen
linken bürgerlichen ReformistInnen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs)
für ihre Ziele ausgenutzt. Sie beabsichtigten es als "Mythos"
für ihre neuen Strategien der Machtteilung zwischen Freihandelsinstitutionen
und der "Zivil-Gesellschaft" zu nutzen.
Im September 2000 waren
die Treffen des Internationalen Währungsfond (IWF) und der Weltbank in
Prag (Tschechien) eine Gelegenheit für PGA festzustellen, wie gut Aktionen
mit einer großen Bandbreite an Taktiken, wie Straßenparty-Tanzen
und bewegliche Konfrontation (pinker Block), Sabotage (blauer Block) und konfrontativer
ziviler Ungehorsam (gelber Block), sich ergänzen können. Außerdem
gab es eine Vielzahl an Vorbereitungsinitiativen, wie die "Karawane gegen
den Kapitalismus", eine Folge von Aktionen in französisch sprechenden
Teilen Europas, die vom `Reseau Sans Titre´ (Netzwerk ohne Namen) organisiert
wurden.
Die Gegengipfel und globalen
Proteste verwandelten sich schnell in Treffen von Massen von AktivistInnen aus
der ganzen Welt. Diese Treffen gehen bis heute weiter, trotz des Präzedenzfalles,
der durch die unheilvolle Repression während des G8 Gipfels in Genua, Italien,
geschaffen wurde. Die heutigen Gegengipfel bringen ein Spektrum an Gruppen,
politischen Parteien und NGO's der Zivilgesellschaft zusammen, das viel breiter
ist, als nur das Ensemble der Gruppen, die mit PGA zu tun haben. Tatsächlich
wird oft vergessen, dass der ursprüngliche Anstoß zu den Gegengipfeln
von radikalen Gruppen kam,
die gegen Lobbyismus sind und die den Wohlfahrtsstaat und die parlamentarische"Demokratie"
genau so sehr anprangern wie den (neoliberalen) Kapitalismus.
PGA Grundsätze (Hallmarks)
Das Ziel des PGA
Austausches und des PGA Netzwerks ist, verschiedene lokale Gruppen zu verbinden,
die den Grundsätzen von PGA zustimmen:
- Eine klare Ablehnung
von Kapitalismus, Imperialismus und Feudalismus; und aller Handelsabkommen,
Institutionen und Regierungen, die die zerstörerische Globalisierung
vorantreiben.
- Wir lehnen alle Formen
und Systeme von Herrschaft und Diskriminierung ab, einschließlich aber
nicht beschränkt auf Patriarchat, Rassismus und religiösen Fundamentalismus
aller Art. Wir anerkennen die vollständige Würde aller Menschen.
- Eine konfrontative Haltung,
da wir nicht glauben dass Lobbyarbeit einen nennenswerten Einfluss haben kann
auf undemokratische Organisationen, die maßgeblich vom transnationalen
Kapital beeinflusst sind.
- Ein Aufruf zu direkter
Aktion und zivilem Ungehorsam, Unterstützung für die Kämpfe
sozialer Bewegungen, die Respekt für das Leben und die Rechte der unterdrückten
Menschen maximieren, wie auch den Aufbau von lokalen Alternativen zum Kapitalismus.
- Eine Organisationsphilosophie
die auf Dezentralisierung und Autonomie aufgebaut ist.
PGA ist ein Werkzeug zur
Koordination, keine Organisation. PGA hat keine Mitglieder und ist keine juristische
Person und wird auch keine werden. Keine Organisation oder Person repräsentiert
PGA.
Politische Entwicklung und weitere
Aktionsformen
Abseits der Großereignisse,
deren Zeitplan von den Kalendern der großen kapitalistischen Institutionen
bestimmt wird, ist PGA auch verantwortlich für die Entwicklung anderer
Prozesse, die manchmal weniger bekannt sind. Die interkontinentale Karawane
ermöglichte es 400 Mitgliedern einer indischen Bauernorganisation und weiteren
50 Menschen aus anderen Bewegungen aus der "dritten Welt" nach Europa
zu kommen und vor den wichtigsten Institutionen, wie der WTO, dem IWF, der OECD,
der NATO usw. sowie vor den Firmensitzen multinationaler Konzerne, zu demonstrieren.
Sie zerstörten Genfelder und
ein staatliches Forschungslabor. Und als ein weiterer wesentlicher Punkt ermöglichte
die Karawane es den "3. Welt"-Gruppen, Kontakte zu einer Vielzahl
europäischer Bewegungen aufzubauen.
Die von PGA inspirierten globalen
Aktionstage stellen Rahmen dar, kreative Formen direkter Aktion auch für
kleine Kollektive zu entwickeln. Z.B. Straßenpartys, Blockaden, Besetzungen,
antikapitalistischen Karneval und so weiter. Die Dezentralisierung und Herausbildung
von Kontakten zwischen verschiedenen Gruppen führten zur Einführung
von partizipativen Werkzeugen zur Kommunikation nach außen, wie Indymedia
(Independent Media Centers, IMC, unabhängige Medien-Zentren). Es gibt zur
Zeit mehr als 130 einzelne Indymedia-Centres in der ganzen Welt, mit noch weit
mehr Kleinkollektiven innerhalb der IMCs sowie "Imitate", die unabhängig
vom Netzwerk arbeiten. Indymedia wurde daher auch schon als die „größte
Freiwilligenorganisation der Welt" bezeichnet. Andere interne Werkzeuge,
wie die internen PGA-Mailinglisten, wurden entwickelt und bieten auf der ganzen
Welt ein Forum für Aktionen und Analysen.
Im Juli 2002 schaffte das internationale
„No-Border-Camp“ in Strasbourg, Frankreich, einen Raum für
ein Zusammentreffen von PGA's verschiedenen Organisationsansätzen und Herangehensweisen
an Antikapitalismus, sowie für praktische Aktionen, die sich um das Thema
Immigration drehten und konfrontative Grenzcamp-Praktiken, die das internationale
No Border-Netzwerk auszeichnen. Das Ergebnis war der nächste (wacklige)
Schritt in den sich entwickelnden Praktiken der Selbstverwaltung und des autonomen
Lebens, der direkten Demokratie und dezentralen Aktion mit 2.000 Menschen über
9 Tage hinweg. Diese Erfahrung sollte eine Grundlage darstellen, die dabei half
die anderen Camps und ähnliche "autonome Dörfer" entstehen
zu lassen, die während der Anti-G8 Demonstrationen im Mai und Juni 2003
in Frankreich und der Schweiz zahlreicher wurden.
PGA's zweite weltweite Konferenz
fand in Bangalore in Indien im August 1999 statt. Bei dieser Gelegenheit rief
das Netzwerk sein Vorhaben aus, über den "freien Austausch" von
Ideen und Informationen hinaus zu gehen, um einen breiteren Kampf gegen den
Kapitalismus und andere Formen von Herrschaft, wie Sexismus und Rassismus, zu
unterstützen. Es wurde eine Entscheidung getroffen, die Unterschiede zwischen
PGA und anderen Antiglobalisierungsgruppen, deren Ideen unseren fundamental
entgegenstehen, wie rechtsextreme Gruppen, politische Parteien und reformistische
NGOs, klar herauszustellen.
PGA's dritte globale Konferenz fand
in Cochabamba in Bolivien statt. Sie betonte die Bedeutung von lokalen und regionalen
Prozessen. Neben diesen positiven Entwicklungen und nach einigen Jahren von
- vielleicht zu frenetischem - Aktivismus wurde einige Kritik an den Organisationsansätzen
und politischen Zielen von PGA lauter. Die europäische PGA- Konferenz in
Leiden im August 2002 hatte zum Ziel, dieser Kritik zu begegnen und darauf zu
reagieren.
Die zweite europäische PGA-Konferenz
Die erste europäische
PGA Konferenz fand im Jahr 2000 in Mailand, Italien, statt und wurde von der
italienischen `Ya Basta!´-Bewegung für zivilen und sozialen Ungehorsam
ausgerichtet. Die zweite fand im September 2002 in der kleinen Stadt Leiden
in den Niederlanden statt. `Eurodusnie´, ein anarchistisches Kollektiv,
welches zusammen mit dem `Catalan Movimiento de Resistencia Global (MRG)´
europäischer Ko-Convenor war, war der Gastgeber. Viele Menschen aus ganz
Europa trafen sich, um Analysen und Diskussionen auszutauschen. Mindestens 650
waren offiziell angemeldet, es nahmen aber viele mehr einfach so teil. Eines
der wesentlichen Ziele einer solchen Konferenz war, persönliche Kontakte
zu vereinfachen und auch in den Augen der Teilnehmenden selbst die Existenz
einer gemeinsamen Bewegung und einer gemeinsamen Idee ans Licht zu bringen.
Die Konferenz war auch eine Gelegenheit, ein gemeinsames Verständnis über
die Kräfte und Kämpfe, die dort vertreten waren, zu entwickeln, um
Fragen gemeinsam zu bedenken, die sich der Bewegung stellen und sich dann mit
konkreten Vorschlägen weiter zu bewegen, als Antwort auf die Frage "Was
nun?".
Unsere niederländischen
Gastgeber hatten eine Organisationsstruktur eingerichtet, um die Beteiligung
aller Teilnehmenden sicherzustellen. Alle waren eingeladen sich am Kochen und
Abwaschen zu beteiligen, Treffen, Workshops und Diskussionen vorzubereiten,
und eine tägliche Zeitung zu erstellen, welche die Ergebnisse der Diskussionen
und Debatten zusammenfasste. Es wurde auch Unterstützung für die Anfahrt
zur Verfügung gestellt, insbesondere für Gruppen, die von jenseits
der östlichen Grenzen der EU kamen, indem die Teilnahmebeiträge von
westeuropäischen Gruppen weiterverteilt wurden. Die Frage, wer zu der Konferenz
zugelassen werden sollte, wurde angesprochen, angesichts der Tatsache, dass
das Ziel des PGA-Austausches und des PGA-Netzwerks ist, lokale Gruppen, welche
die PGA Grundsätze unterstützen, zu vernetzen.
Es gab keine strikten Auswahlkriterien,
auch wenn die Anmeldung eine Frage nach dem Grund der Teilnahme beinhaltete.
Die Menschen wurden aktiv aufgefordert, sich auf lokaler Ebene auf die Konferenz
vorzubereiten. Die Diskussionstage waren wirklich harte Arbeit. Sie verliefen
größtenteils in kleinen Diskussionsgruppen zu all den vielen, von
TeilnehmerInnen vorgeschlagenen Themen, aber auch zu generellen strategischen,
für die Bewegung als ganzes, relevanten Fragen und Arbeitsgruppen zu Organisationsstrukturen
von PGA in Europa. Die Frage, wie Diskussionen zusammengeführt werden sollten
und wie Entscheidungen gefällt würden, war Thema einer lebhaften Debatte,
mit einem Fokus auf der Ermunterung zu gleichberechtigter Beteiligung und der
Bekämpfung von Machtspielen. Die angewandten Techniken beinhalteten Moderation,
Handzeichen, Kleingruppen, schrittweisen Konsens und so weiter.
Die Tyrannei keine (formale) Struktur
zu haben
Die Ausgewogenheit
zwischen formeller und informeller Arbeit von PGA als Netzwerk, war ein weiterer
Schwerpunkt der Strukturdebatten. PGA hat in Europa eine starke Vorliebe für
organische, auf Bezugsgruppen basierende Beziehungen. Es wurde offensichtlich,
dass der Mangel an Klarheit darüber, wer sich um was kümmert, gleichermaßen
die Verteilung von Verantwortung allzusehr im Fluß hält und es unklar
macht wo genau und wie Entscheidungen getroffen werden. Dies wiederum macht
es für neu hinzukommende Menschen schwer, sich zu integrieren und führt
deshalb zu informellen Hierarchien, die besonders schwer zu verstehen sind,
weil sie unsichtbar sind. Die Herausforderung ist es daher, expliziter auszudrücken,
wie die Strukturen funktionieren, ohne den Starrsinn und die bürokratischen
und autoritären Strukturen zu reproduzieren, die wir reflexartig erwarten.
(2) Letztendlich soll die Arbeit an den europäischen PGA-Strukturen
(Mailinglisten, Web-Seiten, Informationsverteiler, Kontaktlisten und Konferenzorganisation)
in einer wesentlich formaleren und offenen Art und Weise erledigt werden...
um so mehr Menschen dazu einzuladen, sich einzubringen. Konfrontiert mit dem
Nichtvorhandensein neuer Convenors und der Notwendigkeit, die Arbeit, die für
die Netzwerkstrukturen notwendig ist, zu klären, gab es ein Arbeitsgruppentreffen
in Tanneries, einem autonomen selbstverwalteten Raum in Dijon, Frankreich, im
März 2003. Auf diesem Treffen bot sich `DSM´, eine Belgrader antikapitalistische
Gruppe, an, als Convenor aufzutreten.
Detaillierte Zusammenfassungen
der Diskussionen und Entscheidungen zum europäischen PGA-Prozess in Leiden
(3), die in Dijon (4) abgeschlossen wurden,
stehen im Internet zur Verfügung. Sie basieren auf den Organisationsprinzipien
von PGA, die in Cochabamba (5) beschlossen wurden.
Die Infopunkte...
Um PGA in großem Rahmen voranzubringen
und um es auf lokaler Ebene zu verbreiten, beschloss die Konferenz in Leiden
einige"Infopunkte" zu schaffen, einer Reihe von lokalen Gruppen, die
sich für PGA engagieren. Jede Infopunkt-Gruppe ist verantwortlich dafür,
Informationen über die Konferenzen, Geschichte und Projekte des PGA-Netzwerks
an Leute, die daran interessiert sind, zu vermitteln.
Diese Infopunkte sind nicht "Mitglieder" von PGA, weil PGA keine Mitgliedschaft
kennt, sondern sie arbeiten daran, das Netzwerk sichtbarer zu machen - eine
wichtige Aufgabe, wenn man bedenkt, dass das Netzwerk nicht als ganzes oder
als eine Organisation spricht. Es gibt im Internet eine Kontaktliste zu diesen
Infopunkten (6).
Europäische Convenors und
die Prozessgruppe
Die Rolle der europäischen
Convenors wurde in Leiden als `Organisatoren der europäischen Konferenz´
definiert. Sie sind verantwortlich dafür, das Netzwerk sichtbar und dynamisch
zu machen, sowie für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur (Web-Seite,
Nachrichtengruppen, Kontaktlisten) und der Kontakte mit dem Rest des Planeten.
Aus diesen Kollektiven konstituiert sich die Prozessgruppe.
Eines der mächtigsten
Werkzeuge des Netzwerks ist die PGA-Website (6), die eine große
Anzahl historischer Texte, Ankündigungen, Aktionsberichte und Berichte
über PGA-Konferenzen enthält. Ein weiteres Werkzeug, das sich entwickelt,
ist die Seite https://global.so36.net
- ein thematisch strukturiertes, globales Archivprojekt, ein Forum in dem mensch
Artikel zu Themen und Aktionen schreiben kann. Außerdem wurden drei Mailinglisten
als Kommunikationsmittel für PGA in Europa eingerichtet:
- Die pga_europe_process
Liste sollten alle Kollektive, die in die europäischen PGA-Strukturen
und den Entscheidungs-findungsprozess (Konferenzen, Listen, Websites, Infopunkte
usw.) eingebunden sind, abonniert haben.
- pga_europe_resistance
ist eine Liste für Ankündigungen und Berichte von Aktionen und Ereignissen.
- Die pga_europe_discussion-Liste
ist für Grundlagentexte und Debatten.
Um sich auf eine der Liste
einzutragen kann mensch das Formular (7) im Netz nutzen.
Die nachhaltigen Kampagnen
In Leiden wurden thematische Arbeitsgruppen
gestartet, die sich auf die PGA-Prinzipien gründen. Eine beschäftigt
sich mit Wasser, eine andere damit, alternative Foren ("hub"-Projekte)
auf den verschiedenen Sozialforen aufzubauen. Seit Dijon gibt es eine eigene
Arbeitsgruppe, die sich auf das Thema„Gender“ konzentriert.
Also, was ist PGA? Ein Netzwerk?
Eine Koordination? Ein Austausch?
Diese Diskussionen
stellen die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen für ein Netzwerk,
welches von sich sagt, auf Dezentralisierung und Autonomie zu basieren, und
welches keine offizielle Mitgliedschaft, keine Büros oder Bankkonten hat.
Die Debatte über die Rolle von PGA geht seit Leiden und Dijon weiter und
ist immer noch weit davon entfernt, abgeschlossen zu sein. Für einige ist
der entscheidende Punkt, dass, im Gegensatz zu politischen Parteien und anderen
Koordinationsstrukturen, PGA nicht darauf abzielen sollte, Aktionskampagnen
in seinem eigenen Namen zu führen. Auch wenn der Austausch zwischen Gruppen,
Kommunikationsstrukturen und Netzwerken, den es bietet, in der Lage war, das
Schaffen konkreter gemeinsamer Initiativen wesentlich zu vereinfachen; so z.B.
in letzter Zeit die globalen Aktionstage im Dezember 2002 in Solidarität
mit dem Aufstand der argentinischen Bevölkerung oder einige der Anti-G8
Blockaden und Ereignisse im Jahr 2003.
Das bedeutet nicht, dass
PGA-Konferenzen, Convenors oder einfach Gruppen in diesem Netzwerk nicht die
Initiative ergreifen können, Vorschläge oder Kampagnen in das ganze
Netzwerk einzubringen. Im Gegenteil, die Originalität und Dynamik von PGA
ist, dass es - dank eines Minimalkonsenses über Ziele und Mittel von Aktionen
und koordinierter Autonomie - ein zu inspirierenden Aktionen fähiges Netzwerk
ist. In der Praxis waren die Ursprünge der Vorschläge sehr dezentralisiert.
Die Aufrufe zu Aktionen während Seattle oder Prag z.B., wurden zunächst
von lokalen Gruppen dort gestartet und danach von den Convenors aufgegriffen.
Im Gegensatz zu anderen Organisationen können nicht nur die Vorschläge
von irgendwoher kommen, sondern es gibt auch kein Bestreben, die Aktionen als
internationale Aktion von PGA erscheinen zu lassen. Die Aktion ist die der Organisationen,
die den Vorschlag aufnehmen und lokal in ihrem eigenen Namen agieren. Aus diesem
Grund bleibt das Netzwerk als solches relativ unbeachtet, was es nicht unbedingt
weniger effizient macht, als eine traditionelle Organisation. Es ist mit Sicherheit
nicht das Ziel von PGA eine Konsensentscheidung zu globalen Strategien für
die Weltrevolution zu schaffen. Neben den Grundsätzen und dem Manifest
können PGA-Gruppen zu allen möglichen Dingen unterschiedlicher Meinung
sein (wie z.B. bestimmte Aktionsformen, oder auf Sozialforen zu gehen), ohne
sich spalten oder endlos streiten zu müssen. So können einige Gruppen
eine politische Hypothese ausprobieren, zurückkommen und sie danach diskutieren.
Einige sind der Meinung, PGA-Europa sollte nichts offiziell entscheiden, außer
seiner eigenen Struktur, und der Art, wie man Treffen, Listen, Webseiten und
die anderen Kommunikationsmittel organisiert. Für diese Menschen ist PGA
vor allem ein Mittel zum Austausch zwischen verschiedenen Gruppen, welche die
Zustimmung zu den Prinzipien teilen. Es gibt hier ein beachtliches Potential,
da es regionale und globale Momente der Koordination schafft. Es stellt eine
Möglichkeit dar, sich kennen zu lernen, verschiedene Ansätze zu politischen
Theorien und Kämpfen gegenüberzustellen, Ideen für Aktionen auszutauschen.
Es schafft Kontakte und Ressourcen, um uns Raum und Zeit zu geben, den Erfolg
unserer Aktionen zu beurteilen und uns mit thematischer Analyse zu beschäftigen.
Trotz dieser Betonung auf Dezentralisierung und autonome Aktionen, finden andere,
dass PGA-Europa auch in der Lage sein sollte, regelmäßig Wege zu
finden, Kampagnen in die Wege zu leiten und Aktionstage in seinem Namen zu koordinieren.
Dieses Thema wird weiter diskutiert werden.
Andere Debatten, die z.Zt. bei
PGA-Europa geführt werden:
Aus dem „AktivistInnen-Ghetto"
ausbrechen...
Die Frage, wie wir unsere Gruppen
und Netzwerke öffnen, die sich manchmal zu geschlossenen Gesellschaften
entwickeln, abgeschottet durch unsere Identitätspolitik, hat viele Facetten.
Wie brechen wir aus dem "Ghetto" der „Hardline“-AktivistInnen
aus, die sich der Wahrheit ihrer Mission und der Richtigkeit der Mittel absolut
sicher sind, ohne die radikalen Hoffnungen unserer Kämpfe und Praktiken
aufzugeben? Mit einem analytischen Blick auf unsere Treffen kann mensch zumindest
in Europa sehen, dass sie vor allem aus Aktionsspezialisten zwischen 20 und
30 Jahren bestehen (auch wenn es ein paar Senioren hier und dort gibt), die
größtenteils aus der weißen Mittelklasse kommen. Diese Beobachtungen
verdeutlichen den Mangel an Verbindungen zu anderen Bevölkerungsgruppen,
insbesondere zu MigrantInnen (mit und ohne Papiere), aber auch genereller zur
Arbeiterklasse. Dieser Widerspruch ist zumindest in Europa problematisch für
unsere Kämpfe, in einem Netzwerk, das sich Peoples` Global Action nennt.
(8)
Überblick über die Reflexionen
zur Strategie...
Es gab zahlreiche
Diskussionsthemen und politische Kampagnen, die während der Konferenz in
Leiden begonnen wurden. Trotzdem dominierten ein paar Hauptfragen die Debatten.
Es folgt ein Überblick. Die Gegengipfel und globalen Gipfelproteste, die
seit 1998 ein gemeinsames Spielfeld für die Bewegung ausgemacht haben,
stehen seit Frühjahr 2000 aus verschiedenen Gründen in der Kritik:
Die Falle der Repressionsspirale, der mangelnde Fokus auf lokale Kämpfe,
die Ausbeutung der Bewegung von linken"Zivilgesellschafts"- und Reformistengruppen,
die Suche nach einem einheitlichen Konsens der Massen anstelle einer fundamentalen
Analyse, den Verlust des Überraschungsmoments, den Verlust der Wahl von
Zeit und Ort unserer Aktionen und der Mangel an einer kontinuierlichen Erneuerung,
die nötig ist, um unsere Aktionen effektiv zu halten. Seit Seattle argumentieren
einige AktivistInnen, dass wir die Gegengipfel den Gewerkschaften und NGOs überlassen
sollten. Viele Menschen, die Erfahrung mit konkreter direkter Aktion haben,
wollen das Überraschungsmoment durch das Verwenden anderer Aktionsformen
und in Bereichen, die weniger durch Repression abgesperrt sind, wiederherstellen.
Andere sagen, dass all dies wahr sei, wir aber das Terrain nicht einfach den
Bullen und Reformisten überlassen könnten, obwohl wir wüssten,
dass dieser große Magnet, den wir geschaffen hätten, immer noch Tausende
von Menschen anziehe, von denen viele hauptsächlich nach uns suchten und
nicht nach reformistischem Blabla. Und wie können wir sagen, dass wir aus
dem Ghetto ausbrechen möchten und mit allen möglichen Leuten reden
wollen, aber nicht mit Menschen aus z.B. dem Attac-Hintergrund, oder anderen,
die hinzukommen? Die Debatte geht weiter...
Es wurde auch gesagt, dass
es nicht länger genug sei, den Feind hauptsächlich in großen
internationalen Konzernen und finanziellen Institutionen zu sehen. Wir sollten
unsere Kritik neu fokussieren, am Staat und sozialer Kontrolle sowie an allen
Formen von Herrschaft in menschlichen Beziehungen (inkl. Konsumententum, Rassismus,
Sexismus, Diskriminierung auf Basis von Sexualität und anderer Unterdrückungsverhältnisse).
Außerdem müssen wir unsere Kritik an der Art und Weise, wie diese
Herrschaftssysteme in unsere eigene Welt eingebettet sind, in unseren Alltag
und in die verschiedenen Ebenen sozialer Interaktion, an denen wir beteiligt
sind, einbeziehen. Indem wir unsere Taktiken und unsere Diskursfelder dadurch,
dass wir kreativ und unvorhersehbar bleiben, verändern, können wir
unsere ZeitgenossInnen immer noch aus ihrer Resignation und Entfremdung schütteln.
Einige Menschen sprachen darüber Strukturen aufzubauen, um autonome Kommunen
und Selbstversorgung, Spaßguerillaaktionen und Kunst im öffentlichen
Raum, Straßenversammlungen, sporadische oder permanente Karawanen, Aktionscamps,
Besetzungen oder neue internationale Aktionstage zu Zeit und Ort unserer Wahl
zu unterstützen.
Die Bedeutung von Experimenten
in Selbstverwaltung, von besetzten Häusern und anderen Zonen temporärer
Autonomie, die im Moment in Europa unter Druck stehen, wurde betont. Verschiedene
Arten von Tarnung und anderen Antirepressionstechniken wurden vorgeschlagen,
um die Fallen (oder Knäste) zu umgehen, in denen sie versuchen, uns mit
falschen Vorwürfen von Terrorismus einzufangen.
Ohne Medienstars, ExpertInnen
oder professionelle TheoretikerInnen bewegt sich PGA dank der vielen Gaben,
die im Netzwerk durch die Kreativität vieler Individuen zusammenkommen,
weiter. Dabei ist das Ziel, einen gemeinsamen Rahmen von kollektiven Aktionen
zwischen denen zu schaffen, die kein Bedürfnis haben, innerhalb der linken
politischen Parteien und institutionellen Gewerkschaften mit ihrer langen Liste
hierarchischer und dogmatischer Organisationen zu stehen.
Die europäische PGA-Konferenz
in Belgrad im Sommer 2004 wird eine neue Gelegenheit bieten, diese Debatten
fortzusetzen und neue Gesichter und Projekte zu entdecken.
Links:
- http://www.nadir.org/nadir/initiativ/agp/en/pgainfos/manifest.htm
- Tyranny
of structuralisms by Jo Freeman
- http://www.pgaconference.org/_postconference_/pp_plenarydecision.htm#P3
- http://www.nadir.org/nadir/initiativ/agp/free/dijon/report.htm
- http://www.nadir.org/nadir/initiativ/agp/cocha/principles.htm
- http://www.agp.org/
- http://www.pgaconference.org/_postconference_/mailform_1.htm
- Eine
detaillierte Analyse des Rassimus innerhalb PGA im People`s Global Radio-Interview
mit Maria Teresa Santana, unter https://global.so36.net/2002/09/377.html
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